Wer als Bezieher von Sozialhilfe erbt, der läuft Gefahr, dass der Sozialhilfeträger die Leistungen kürzt und/oder einstellt und so das Erbe, jedenfalls dann, wenn es nicht besonders groß ist, regelrecht verpufft, ohne dass ihm durch die Erbschaft ein spürbarer Vorteil zugeflossen ist. Deshalb wird in einer solchen Situation die Versuchung groß sein, das Erbe auszuschlagen, um einerseits den Anspruch auf Sozialhilfe nicht zu verlieren und andererseits dadurch, dass sich durch die Ausschlagung der Erbteil der anderen Miterben erhöht, darauf zu spekulieren, dass diese die Ausschlagung honorieren und dem Ausschlagenden so indirekt den Vorteil der Erbschaft zu wenden, indem sie Zusatzleistungen zur Sozialhilfe finanzieren, die sich ansonsten der Sozialhilfeberechtigte nicht leisten könnte. Solche Situationen treten insbesondere dann auf, wenn mehrere Kinder erben und eines der Geschwister, beispielsweise aufgrund einer Behinderung, nicht erwerbsfähig ist und deshalb Sozialhilfe bezieht. In einem solchen Fall hat das LG Neuruppin mit Beschluss vom 28.06.2018 (5 T 21/17) zugunsten eines behinderten Sozialhilfeempfängers entschieden und dies damit begründet, dass auch diesem das Recht eine Erbschaft auszuschlagen zustehen muss (sog. negative Erbfreiheit).
Großmutter bestimmt ihre Enkel zu Erben
In dem entschiedenen Rechtsstreit hatte eine Großmutter ihre Enkel, auch den Betroffenen, zu Erben bestimmt. Dieser stand unter Betreuung. Betreuer waren seine Eltern, denen unter anderem der Aufgabenkreis der Vermögenssorge und die Vertretung vor Behörden übertragen worden ist.
Betreuer beantragen betreuungsrechtliche Genehmigung der Ausschlagung der Erbschaft
Der auf dem Betroffenen entfallende Erbschaftsanteil lag bei rund 60.000 €. Die Betreuer wollten die Erbschaft ausschlagen und haben deshalb beim Betreuungsgericht die Genehmigung der Ausschlagung beantragt. Sie haben dies damit begründet, dass der Betroffene, der in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe lebt, vom Sozialamt monatliche Leistungen in Höhe von 7.465,20 € bezieht. Unter Berücksichtigung seiner sparsamen Lebensführung würde daher das Erbe maximal 5 – 6 Monate für die Deckung der Kosten ausreichen, so dass der Betroffene nichts von seinem Erbe habe. Auch befürchteten sie Komplikationen durch Leistungskürzungen und Unruhe zwischen den Geschwistern, die über ihren Erbteil nach eigenem Belieben verfügen könnten. Gleichzeitig sei mit den Geschwistern des Betroffenen besprochen, dass diese im Falle einer Ausschlagung sich verpflichten dem Betroffenen am Erbe dergestalt teilhaben zu lassen indem sie ihm Annehmlichkeiten wie Wochenendausflüge und Urlaube finanzieren, Haushaltsgegenstände anschaffen und etwaige Krankenkosten, die nicht von der Versicherung getragen würden, übernehmen. So habe der Betroffene einen unmittelbaren Vorteil aus der Ausschlagung.
Das Betreuungsgericht hat eine Verfahrenspflegerin eingeschaltet, die sich gegen die Ausschlagung gewandt hat. Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Verfahrenspflegerin hat dann das Betreuungsgericht die Genehmigung verweigert. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Eltern. Sie rügen dabei, dass die Verfahrenspflegerin weder mit ihnen noch dem Betroffenen selbst Kontakt aufgenommen habe. Auch stünde ihnen nach der Rechtsprechung zum sog. Behindertentestament die Möglichkeit offen Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen, die es ermöglichen, dass Menschen mit Behinderung denen staatliche Leistungen zustehen, auch aus einem Erbe Annehmlichkeiten zufließen.
Ausschlagung ist zu genehmigen
Die Richter am Landgericht folgten der Argumentation der Betreuer und haben entschieden, dass die Ausschlagung zu genehmigen ist. Diese sei nämlich nicht sittenwidrig, weil die bloße Aufrechterhaltung des Bezugs von Sozialleistungen keine Sittenwidrigkeit zur Folge habe. Dies sei durch die Vorgaben der Rechtsprechung zum Behindertentestament hinreichend geklärt. Danach kann ein Erblasser die Gestaltung des Vermögensübergangs im Falle seines Todes so vornehmen, dass sein behindertes Kind Vorteile aus dem Nachlass erhält, ohne dass der Sozialhilfeträger darauf zugreifen kann bzw. eine Anrechnung auf staatliche Leistungen erfolgt. Dabei ist anerkannt, dass Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes den Nachlass verteilen durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlass erhält, der Sozialhilfeträger auf dies jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig sind. Sie seien vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus. Zur Erreichung dieses Zwecks kann wiederum der Erbe alle vom Gesetz bereitgestellten Gestaltungsinstrumente ausschöpfen. Deshalb steht auch einem behinderten Erben, der Sozialhilfe bezieht, grundsätzlich das Recht zu erbrechtliche Zuwendungen abzulehnen (sog. negative Erbfreiheit).
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.