Ist ein zum Nachlass zählendes Grundstück mit einem Nießbrauch belastet, dann ist bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen bei der Wertermittlung der Wert des Nießbrauchs grundsätzlich zum Abzug zu bringen. Was aber ist, wenn der Nießbrauchsberechtigte zugleich Erbe wird und damit der Nießbrauch erlischt? Auch dann wirkt sich der Nießbrauch bei der Pflichtteilsberechnung wertmindernd aus (OLG München, Urteil vom 6. Februar 2019, 20 U 2890/18).
Sohn streitet mit Mutter über die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs
Der Erblasser wurde von seiner Ehefrau beerbt. Zum Nachlass zählte auch eine Immobilie, die mit einem Nießbrauch zugunsten der Ehefrau belastet war.
Bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Klägers, bei dem es sich um den einzigen Sohn des Erblassers und der Beklagten handelt, hatte die Erbin den Wert des Nießbrauchs vom Wert der Immobilie zum Abzug gebracht und dem Kläger außergerichtlich rund 26.000 € ausbezahlt. Dieser verlangt die Zahlung von weiteren rund 65.000 €. Er vertrat dabei die Auffassung, dass das Nießbrauch der Beklagten zu Unrecht zum Abzug gebracht worden sei, weil sich durch den Erbfall Eigentum und Nießbrauch in der Person der Beklagten vereinigt hätten, so dass der Nießbrauch erloschen sei.
Nießbrauch ist bei der Berechnung des Pflichtteils wertmindernd zu berücksichtigen
Während die Beklagte erstinstanzlich noch zur Zahlung verurteilt worden ist, war ihre Berufung erfolgreich. Die Richter am OLG München haben zwar ebenfalls angenommen, dass der Nießbrauch wegen seines Zusammentreffens mit dem Eigentum in derselben Person mit dem Erbfall erloschen sei. Gleichwohl würde das Grundstück für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs aber nicht als unbelastet gelten. Dies deshalb, weil Pflichtteilsansprüche nur hinsichtlich des Erblassers Vermögens bestünden und das Vermögen Dritter dafür grundsätzlich nicht berücksichtigt werden würde. Da die Erbin aber bereits lebzeitig Inhaberin des Nießbrauchs gewesen sei, sei dessen erlöschen nicht zugunsten des pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen.
Denn anderenfalls würde der Pflichtteilsberechtigte auch am unabhängig vom Erbfall bei der Erbin vorhandenen Vermögen partizipieren und negiert werden, dass der Erblasser nur ein mit einem Nießbrauch belastetes Grundstück besaß und vererben konnte.
So sind nach allgemeiner Meinung Rechtsverhältnisse, die infolge des Erbfalls durch Konfusion oder Konsolidation erloschen sind, für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs als nicht erloschen zu behandeln. Denn die Höhe des Pflichtteilsbetrages kann nicht davon abhängen, wer zufällig Erbe wird und ob in der Person des Erben die Voraussetzungen der Konfusion oder Konsolidation gegeben sind. Dass die Erbin gleichzeitig Nießbrauchsberechtigte war, führt deshalb nicht dazu, dass der Pflichtteil aus dem Wert eines unbelasteten Grundstücks zu berechnen wäre.
Hinweis:
Für den Fall, dass der Erblasser den Nießbrauch lebzeitig schenkweise seiner Ehefrau übertragen hat, könnten hierdurch Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB ausgelöst werden. Solche müssen aber vom Pflichtteilsberechtigten ausdrücklich geltend gemacht werden
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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