Sind durch Testament mehrere Pflichtteilsberechtigte enterbt worden, weil beispielsweise der oder die Erblasser lediglich ein Kind zum Alleinerben bestellt haben, während die anderen Kinder enterbt worden sind, dann taucht immer wieder die Frage auf, ob nun die Pflichtteilsberechtigten als sogenannte Streitgenossen sich nun gemeinsam von einem Anwalt vertreten lassen oder aber jeder Pflichtteilsberechtigte sich einen eigenen Anwalt nimmt, um dem Pflichtteilsanspruch zu verfolgen und wie es dann mit der Erstattungsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten aussieht.
Betrachten wir also ein konkretes Beispiel, nämlich der Erblasser hat 4 Kinder hinterlassen. Ein Kind wurde Alleinerbe, während die anderen enterbt worden sind.
Welche Anwaltsgebühren können anfallen?
Wirtschaftlich denkende Pflichtteilsberechtigte werden sich regelmäßig auf einen Rechtsanwalt verständigen, der dann alle Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben oder gegen die Erbin vertritt, weil dadurch die Kosten deutlich geringer sind, also das Prozesskostenrisiko verringert wird.
Vertretung durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt
An Anwaltsgebühren fallen in einem Gerichtsverfahren nämlich dann neben einer 1,3 Verfahrensgebühr lediglich für jeden weiteren Pflichtteilsberechtigten der vertreten wird, eine 0,3 Erhöhungsgebühr an. Hinzu kommt noch eine 1,2 Terminsgebühr und, wenn der Rechtsstreit nicht durch Urteil, sondern der Vergleich erledigt wird, was bei derartigen Streitigkeiten oft der Fall ist, noch eine 1,0 Einigungsgebühr. In der Summe sind es dann also in unserem Beispiel mit insgesamt 3 Pflichtteilsberechtigten 3,1 Gebühren, wenn das Gericht ein Urteil sprechen muss bzw. 4,1 Gebühren, wenn der Rechtsstreit durch Vergleich beendet wird an (zum Verständnis: Anwälte verdienen bei Abschluss eines Vergleichs eine Gebühr mehr; im Gegenzug reduzieren sich aber die Gerichtsgebühren von 3,0 auf eine 1,0, sodass sich in der Endsumme die Erhöhung einerseits und die Reduzierung andererseits meistens die Waage halten).
Vertretung durch unterschiedliche Rechtsanwälte
Lässt sich in unser Beispielsfall mit 3 Pflichtteilsberechtigten jeder Pflichtteilsberechtigte von einem eigenen Anwalt vertreten, dann fallen pro Anwalt bei einer Entscheidung durch Urteil 2,5 Gebühren und bei einem Vergleich 3,5 Gebühren an. Dies ergibt dann kumuliert bei einer Entscheidung durch Urteil bezogen auf alle 3 Pflichtteilsberechtigten 7,5 Gebühren (gegenüber 3,1 Gebühren) bei einer Entscheidung durch Urteil bzw. 10,5 Gebühren (gegenüber 4,1 Gebühren) bei Abschluss eines Vergleichs. Die Einzelvertretung durch unterschiedliche Anwälte ist also nach dem gesetzlichen Gebührenrecht deutlich teurer, als die Vertretung durch einen gemeinschaftlichen Anwalt als Prozessbevollmächtigten, so dass wirtschaftlich denkende Pflichtteilsberechtigte bereits aus diesem Grund regelmäßig die Einfachvertretung wählen.
Erstattungsfähigkeit der Anwaltsgebühren mehrerer Anwälte?
Jetzt werden Sie vielleicht denken, dass 3 Anwälte mehr ausrichten können als ein Anwalt und es dann im Ergebnis doch gar nicht entscheidend darauf ankommt, weil dann, wenn der Rechtsstreit gewonnen wird, die unterliegende Partei, also der Erbe, doch ohnehin alle Kosten erstatten muss. Ob im Falle einer Mehrfachvertretung auch tatsächlich eine solche Erstattungsfähigkeit besteht, ist allerdings nicht ganz so einfach zu beurteilen, sodass wir auch die Seite der Kostenerstattung näher betrachten müssen.
Vertritt ein Anwalt alle Pflichtteilsberechtigten und wird der Rechtsstreit gewonnen, dann ist völlig unproblematisch, dass die gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig sind. Nicht erstattungsfähig sind dagegen, wie in jedem anderen Verfahren auch, diejenigen Gebühren, die aufgrund einer Honorarvereinbarung über die gesetzlichen Gebühren hinausgehen.
Lassen sich dagegen die Pflichtteilsberechtigten durch unterschiedliche Rechtsanwälte vertreten, dann kommt es allerdings auf die Umstände des Einzelfalls an, ob im Falle des Obsiegens dann auch eine Erstattungspflicht besteht.
Grundsätzlich sind auch diese Kosten erstattungsfähig
Nach der Rechtsprechung steht es grundsätzlich jedem Streitgenossen frei einen eigenen Anwalt mit der Vertretung zu beauftragen. Dies hat kostenrechtlich zur Folge, dass im Falle des Obsiegens nach § 91 ZPO der Prozessgegner, also der unterlegene Erbe, alle Kosten übernehmen muss.
Achtung: Keine Kostenerstattung, wenn Einzelvertretung für interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich ist
Ausnahmsweise besteht dann aber keine Kostenerstattungspflicht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Es wäre dann nämlich rechtsmissbräuchlich ohne besonderen sachlichen Grund einen eigenen Anwalt einzuschalten. Die mehrfach angefallenen Kosten würden dann nicht als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 16.5.2013 – IX ZB 152/11) folgt nämlich aus dem Prozessrechtsverhältnis für jede Partei aus dem Grundsatz von Treu und Glauben die Verpflichtung die Kosten ihrer Prozessführung niedrig zu halten.
Verweist der Streitgenosse dagegen auf plausible und schutzwürdige Belange, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass ein Streitgenosse einen eigenen Prozessbevollmächtigten einschalten darf, ohne dass er deshalb kostenrechtliche Nachteile zu tragen hat (BGH, Beschl. v. 13. 10. 2011 − V ZB 290/10).
Beauftragung eines anderen Anwalts aus der gleichen Sozietät
Wer hier als Pflichtteilsberechtigter den Weg der Einzelvertretung wählt, der sollte hier aber auf jeden Fall, um keine unliebsame Überraschung zu erleben, dann gleich eine andere Kanzlei (und nicht nur einen anderen Anwalt der gleichen Sozietät) beauftragen. Mit einem solchen Fall hat sich nämlich das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 19.11.2018 (I-7 W 75/18) befasst und die Erforderlichkeit einer Einzelvertretung abgelehnt.
In dem entschiedenen Fall hatten sich zwei Pflichtteilsberechtigte gemeinschaftlich von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Die dritte Pflichtteilsberechtigte hat dagegen einen anderen Anwalt aus der gleichen Sozietät mandatiert. Begründet hatte sie dies damit, dass sie befürchtet habe, dass in dem Rechtsstreit möglicherweise damit argumentiert werden könnte, dass sie lebzeitig unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers erhalten hätte. Sie wollte deshalb mit der Beauftragung eines eigenen Anwalts einer möglichen Interessenkollision vorbeugen. Diese Argumentation überzeugte das Gericht nicht, weil gerade dadurch, dass ein Anwalt der gleichen Sozietät beauftragt und die Klagen pflichtteilsberechtigten eine Einverständniserklärung im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 2 BORA abgegeben haben, hätten sie gerade gezeigt, dass das Risiko einer Interessenkollision gerade nicht bestünde und keine schutzwürdigen Belange ersichtlich sind, die eine gesonderte Vertretung rechtfertigen würden. Im Übrigen, so die Richter, habe sich in mehreren Fällen, der zusätzliche Anwalt lediglich den Schriftsätzen seines Kollegen angeschlossen und auf diese Bezug genommen oder aber die Schriftsätze seien sogar datums- und inhaltsgleich. Die Richter haben hier also entschieden, dass derjenige, der die Musik bestellt, auch bezahlt und nicht etwa der unterlegene Gegner mit diesen nicht notwendigen Kosten belastet werden darf.
Wer hier also auf Nummer sicher gehen und keine unliebsamen Überraschungen erleben will, der ist gut beraten sich gemeinsam mit den weiteren Pflichtteilsberechtigten auf einen Anwalt als Prozessvertretung zu einigen und die Kosten entsprechend intern zu verteilen.
Wurde hier die Einzelvertretung pflichtteilsberechtigten von dem Anwalt bei Beauftragung nicht darüber aufgeklärt, dass gegebenenfalls im obsiegendes Fall kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Erben besteht, dann hat der Anwalt eine Aufklärungspflicht verletzt, die wiederum zu einem Schadensersatzanspruch führen kann. Die Pflichtteilsberechtigte könnte also nun, vorausgesetzt die Aufklärungspflicht ist letzteren, letztendlich die nicht zugesprochene Kostenerstattung von dem Anwalt bzw. von dessen Haftpflichtversicherung holen.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.