Sind Minderjährige an einem Erbfall beteiligt, dann entstehen oft verschiedene Fragestellungen rund um deren Beteiligung und Vertretung. Dabei kann grundsätzlich ein und dieselbe Person sowohl Vormund sein als auch als Testamentsvollstrecker bestellt werden. Dies allerdings nur dann, wenn das Kind nicht einer solchen Doppelrolle widerspricht. Bei einem Widerspruch des Kindes ist seitens des Familiengerichts ein Ergänzungspfleger zu bestellen (OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2017 – 7 WF 240/16).
Erblasserin (Mutter) bestimmt ihren Bruder als Testamentsvollstrecker und Vormund
Die Erblasserin war die Mutter minderjähriger Kinder. Sie war von ihrem Ehemann geschieden. Noch vor Abschluss des Scheidungsverfahrens hatte die Erblasserin ein notarielles Testament errichtet. Sie hatte u.a. verfügt, dass die Kinder Vorerben zu 1/2 sein sollen.
Es war ausdrücklich bestimmt, dass der Kindsvater „in keiner Weise auf den Nachlass einwirken soll“, auch nicht bei Minderjährigkeit der Kinder. Ihm soll „in keinem Falle vom Nachlass etwas zufließen“. Darüber hinaus hatte sie ihren Bruder zum Dauertestamentsvollstrecker bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres des jüngsten Kindes benannt. Dieser soll gleichzeitig Vormund nach §§ 1773 ff. BGB sein, sofern nicht dem Kindesvater das Sorgerecht zusteht.
Familiengericht setzt Ergänzungspfleger ein
Das Familiengericht hat für die Tochter eine Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis „Wahrnehmung der Rechte des Kindes … gegenüber dem Testamentsvollstrecker“ angeordnet. Zum Ergänzungspfleger war das Jugendamt bestellt worden. Die (fast volljährige) Tochter hatte zuvor im Rahmen einer gerichtlichen Anhörung der Bestellung des Onkels zum Vormund explizit widersprochen, denn sie bevorzugte im Hinblick auf Streitigkeiten zwischen ihm und ihrem Vater eine neutrale Stelle. Hiermit war wiederum der Onkel nicht einverstanden und griff die Bestellung der Ergänzungspflegschaft an. Im Ergebnis allerdings ohne Erfolg.
Nach der Auffassung des Gerichts kommt zwar grundsätzlich dem Erblasserwillen der Mutter, die ausdrücklich den Testamentsvollstrecker auch als Vormund nach §§ 1773 ff. BGB benannt hatte, zentrale Bedeutung zu. Dieser Erblasserwille muss aber hinter dem Willen der minderjährigen, fast volljährigen Tochter und Erbin zurücktreten.
Zwar ist umstritten, ob ein Erblasser verbindlich bestimmen könne, dass der Testamentsvollstrecker zugleich Vormund minderjähriger Erben sein soll. Nach der vom Gericht vertretenen Auffassung kann aber die Erblasserin den Testamentsvollstrecker zugleich wirksam als Vormund für einen minderjährigen Erben betreffend das ererbte Vermögen einsetzen. Dies deshalb, da der BGH bereits entschieden hat, dass ein Elternteil eines minderjährigen Erben Testamentsvollstrecker sein könne, und dieser sei nicht an der gleichzeitigen Ausübung der elterlichen Sorge für den Minderjährigen in Bezug auf das ererbte Vermögen gehindert.
Die Richter waren daher der Auffassung, dass dies mit der hiesigen Situation vergleichbar sei. Daraus folgt, dass der Testamentsvollstrecker hier auch grundsätzlich zugleich Vormund sein kann – und nach dem Willen der Erblasserin auch sein sollte.
Die Richter stellen dabei darauf ab, dass gemäß des expliziten Wunsches der minderjährigen Erbin, für die ein Ergänzungspfleger bestellt werden könne, eben nicht der Onkel, der gleichzeitig Testamentsvollstrecker sei, tätig werden soll, sondern eine „neutrale Stelle“.
Letztlich stellt das Gericht diesen Willen über den Willen der Erblasserin im Hinblick auf §§ 1917 Abs. 1 S. 2, 1778 Abs. 1 Nr. 5 BGB: Eine Person darf danach bei der Pflegerauswahl ohne ihre Zustimmung nur dann übergangen werden, wenn ein Minderjähriger, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, der Bestellung widerspricht. Das ist hier erfolgt. Der Widerspruch steht zwar der Ernennung zum Ergänzungspfleger nach §1779 BGB nicht grundsätzlich entgegen. Gleichwohl eröffnet § 1779 BGB ein Ermessen. Dieses habe u.a. den mutmaßlichen Willen der Eltern (hier: Erblasserin), persönliche Bindungen des Mündels, Nähe der Verwandtschaft und soziale Nähe im Hinblick auf Kontakte zu berücksichtigen. Das Gericht gelangt im Rahmen der Abwägung der einzelnen Gesichtspunkte dazu, dass der Wille der Erblasserin aufgrund des Widerspruchs ihrer minderjährigen Tochter zurücktreten muss. Diese ist nämlich 17 Jahre und sieben Monate alt und hat sich im Rahmen der Anhörung vor dem Familiengericht orientiert und selbstbestimmt gezeigt und ausdrücklich nicht ihren Onkel als Vormund gewünscht.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.