Bei der Eheschließung versprechen sich die Ehegatten regelmäßig in guten wie in schlechten Zeiten einander beizustehen. Das, was auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit erscheint, kann im Alter zu einer erheblichen (finanziellen) Belastung führen, wenn beispielsweise ein Ehegatte aufgrund Demenz pflegebedürftig und dauerhaft stationär in ein Pflegeheim aufgenommen wird . In derartigen Fällen richtet sich dann nämlich der Anspruch auf Familienunterhalt gegen den noch gesunden Ehegatten auf Zahlung einer Geldrente. Diesem Anspruch kann lediglich ein Selbstbehalt entgegengesetzt werden (BGH, Beschluss vom 27.04.2016 – ZB 485/14).
Betreuer macht für demente Ehefrau Geldrente gegen Ehemann geltend
Die Ehefrau lebte aufgrund einer fortschreitenden Demenz in einem Pflegeheim. Da keine Vorsorgevollmacht existierte, wurde zur Wahrung ihrer Interessen durch das Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt.
Die Kosten für das Pflegeheim wurden im Wesentlichen aus Sozialhilfeleistungen bestritten. Der Ehemann bezog als Rentner eine monatliche Rente in Höhe von 1.042,82 € netto. Aus diesem Betrag errechnete der Sozialhilfeträger einen Eigenanteil der Ehefrau in Höhe von 132,56 €. Diesen Betrag machte der Betreuer namens der Ehefrau gegen den Ehemann als Familienunterhalt geltend.
Während das Familiengericht den Ehemann verurteilt hat, hat das OLG den Unterhalt auf monatlich 43 € herabgesetzt. Gegen diese Entscheidung hat der Betreuer namens der Ehefrau Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt und die Unterhaltsansprüche der Ehefrau in voller Höhe weiterverfolgt.
Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auch beim Familienunterhalt zu beachten
In der Sache blieb die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg, weil die begehrte Zahlung nicht der Leistungsfähigkeit des Ehemanns entsprochen hat.
Nach § 1360 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Der Anspruch auf Familienunterhalt ist ein i.d.R. wechselseitiger Anspruch unter Ehegatten bei bestehender Lebensgemeinschaft.
Nach der Trennung der Ehegatten tritt an seine Stelle der Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 BGB, dessen Anwendbarkeit die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfordert, § 1567 BGB.
Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist primär deren wechselseitige innere Bindung zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft umschreibt dagegen die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnstätte und bezeichnet nur einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft. Eine eheliche Lebensgemeinschaft kann auch dann bestehen, wenn die Ehegatten einvernehmlich eigenständige Haushalte unterhalten. Auch die dauerhafte stationäre Pflege eines Ehegatten in einem Pflegeheim führt, für sich genommen, nicht zur Trennung der Ehegatten.
Der Anspruch auf Familienunterhalt ist nicht auf die Zahlung einer für den Empfänger frei verfügbaren Geldrente gerichtet. Er dient der Befriedigung des Bedarfs sowohl der Ehegatten als auch der gemeinsamen minderjährigen Kinder, mithin des gesamten Familienverbands. Der Anspruch orientiert sich am Einvernehmen der Ehegatten und der von ihnen gewählten Aufgabenverteilung und umfasst gem. § 1360a BGB alles, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und eventueller Kinder erforderlich ist. Sein Maß bestimmt sich aber nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sodass in Fällen einer Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen wird.
Der unterhaltsrechtliche Halbteilungsgrundsatz ist indessen nur auf den Regelfall zugeschnitten und dient dazu, das für Konsumzwecke zur Verfügung stehende Familieneinkommen bei gleichartiger Bedarfslage gerecht unter den Ehegatten aufzuteilen.
Wird ein Ehegatte hingegen pflegebedürftig, entsteht ihm ein besonderer, i.d.R. existenznotwendiger Bedarf, der das Einkommen der Ehegatten nicht selten sogar übersteigt. Als unabweisbarer konkreter Bedarf kann er dann nicht auf einen hälftigen Anteil am Familieneinkommen beschränkt bleiben, sondern bemisst sich nach den für den Lebensbedarf des pflegebedürftigen Ehegatten konkret erforderlichen Kosten, somit bei stationärer Pflege nach den Heim- und Pflegekosten zuzüglich eines Barbetrags für die Bedürfnisse des täglichen Lebens.
Allerdings ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auch beim Familienunterhalt als Anspruchsvoraussetzung zu beachten. Anders als beim häuslichen Zusammenleben muss dem Unterhaltspflichtigen daher auch beim Familienunterhalt der angemessene eigene Unterhalt als Selbstbehalt belassen werden.
Anmerkung:
Aus der Entscheidung kann geschlossen werden, dass derjenige, der höhere Alterseinkünfte bezieht im Ergebnis bis zur Grenze des angemessenen eigenen Unterhalts als Selbstbehalt in Anspruch genommen werden kann. Macht also die Krankheit eines Ehegatten einen Heimaufenthalt unabdingbar, dann kann ich jedoch auch beim gesunden Ehegatten der finanzielle Handlungsspielraum zur Gestaltung des Lebensabends erheblich beschnitten werden. Das Eheversprechen „in guten wie in schlechten Zeiten“ kommt hier voll zum Tragen, denn im Vergleich zu nicht verheirateten Paaren stellt sich daher gerade im Alter die Ehe als finanzielle „Leidensgemeinschaft“ dar.