Die notarielle Beurkundung zählt zu den zentralen Aufgaben eines Notars und dient dem Schutz der Beteiligten vor Rechtsunsicherheit. Umso schwerwiegender sind Fehler, die den Parteien finanzielle Schäden verursachen können. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) (Urteil vom 20.11.2024 – IV ZR 263/23) unterstreicht die Verantwortung des Notars bei der Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags und verdeutlicht, welche Konsequenzen Pflichtverletzungen nach sich ziehen können. Im folgenden Beitrag beleuchten wir die wesentlichen rechtlichen Grundlagen, die Entscheidung des BGH sowie deren Auswirkungen.
Rechtliche Grundlagen: Der Pflichtteilsverzicht
Der Pflichtteilsverzichtsvertrag nach § 2346 BGB ermöglicht es einem Erblasser und einem potenziellen Pflichtteilsberechtigten, auf zukünftige Pflichtteilsansprüche zu verzichten. Dies setzt eine notariell beurkundete Einigung voraus (§ 2348 BGB). Gemäß § 2347 Satz 1 BGB kann der Erblasser einen solchen Vertrag nur persönlich abschließen; die Vertretung durch Dritte ist ausgeschlossen.
Die Begründung für diese gesetzliche Vorgabe liegt in der Bedeutung des Pflichtteilsrechts als grundrechtlich geschützter Mindestanteil des Nachlasses. Das Gesetz will sicherstellen, dass der Verzicht bewusst und ohne Beeinflussung durch Dritte erfolgt.
Sachverhalt: Der unwirksame Pflichtteilsverzicht
Im zugrunde liegenden Fall setzte ein Landwirt eine seiner Töchter testamentarisch als Hof- und Alleinerbin ein. Die zweite Tochter verzichtete in einem notariellen Vertrag auf ihr Pflichtteilsrecht und erklärte sich mit einer Abfindung in Höhe von 30.000 Euro für abgefunden. Der Vater wurde bei der Beurkundung durch eine vollmachtlose Mitarbeiterin vertreten, deren Handlungen er nachträglich genehmigte.
Nach dem Tod des Vaters machte die zweite Tochter dennoch Pflichtteilsansprüche geltend und berief sich auf die Unwirksamkeit des Verzichts. Hintergrund war, dass der Vater nicht persönlich an der Beurkundung teilgenommen hatte, was § 2347 Satz 1 BGB zwingend vorschreibt. Die Erbin sah den Notar in der Haftung, da dieser den unwirksamen Vertrag beurkundet hatte.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH bestätigte die Haftung des Notars und sah eine Verletzung der Amtspflichten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO. Der Notar hätte erkennen müssen, dass der Pflichtteilsverzichtsvertrag ohne persönliche Anwesenheit des Erblassers unwirksam ist.
Keine ergänzende Auslegung als Erbschaftsvertrag
Der BGH lehnte es ab, den Vertrag in eine andere rechtliche Vereinbarung, etwa einen Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB, umzudeuten. Ein solcher Vertrag hätte eindeutig in der notariellen Urkunde festgehalten werden müssen. Die Richter betonten, dass ein Pflichtteilsverzicht nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich sei. Mit dem Tod des Erblassers werde eine solche Vereinbarung unmöglich.
Schadensersatz wegen Unwirksamkeit
Die Erbin sah sich durch die Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts und der Abfindungsregelung nach § 12 HöfeO mit Pflichtteilsansprüchen der Schwester konfrontiert. Der BGH erkannte den Schadensersatzanspruch gegen den Notar an und stellte klar, dass der Vermögensschaden erst mit dem Tod des Erblassers eintrat. Damit war der Anspruch nicht verjährt.
Fazit
Die Haftung eines Notars bei fehlerhafter Beurkundung ist ein ernstzunehmendes Risiko. Das Urteil des BGH macht deutlich, dass Notare ihrer Prüfungs- und Aufklärungspflicht besonders bei Pflichtteilsverzichtsverträgen sorgfältig nachkommen müssen. Fehler können für die Beteiligten zu erheblichen Vermögensnachteilen führen, die der Notar unter Umständen ersetzen muss.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass notarielle Beurkundungen nicht nur rechtliche Sicherheit schaffen sollen, sondern auch einer strikten Prüfung der gesetzlichen Anforderungen bedürfen. Beteiligte sollten sich im Zweifel frühzeitig rechtlich beraten lassen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Das Urteil schärft zudem das Bewusstsein dafür, dass der Pflichtteilsverzicht eine persönliche Erklärung des Erblassers ist, die nicht durch Vertreter ersetzt werden kann.
Pech für den Notar, dass kein Rechtsanwalt involviert war. Andernfalls hätte der Anwalt und nicht der Notar gehaftet. Dies ergibt sich aus dem Haftungsprivileg des Notars gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO und gilt immer dann, wenn dem Notar nur Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.