Notare hassen es wie die Pest: das notarielle Nachlassverzeichnis. Gleichwohl haben Pflichtteilsberechtigte nach § 2314 BGB gegen den Erben einen Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses, so dass Notare die Aufgabe grundsätzlich übernehmen müssen. die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses wird regelmäßig dann verlangt, wenn der Eindruck entstanden ist, dass der Erbe seine Pflicht zu Erstellung eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses nicht allzu ernst genommen hat. Der Pflichtteilsberechtigte erhofft sich dann durch die Einschaltung eines Notariats genaue Kenntnisse über Bestand und Umfang des Nachlasses zu erhalten.
Allerdings ist die Enttäuschung manchmal, weil der Eindruck entsteht, der Notar habe sich nicht mit dem erhofften Elan mit dem Nachlass beschäftigt. Nachforschungspflicht ist das Zauberwort, bei dem die Meinungen auseinandergehen, denn wie weit reicht die Verpflichtung des Notars, nach unbekannten Nachlasswerten zu suchen? Ein kürzlich ergangener Beschluss des Bundesgerichtshofs bietet wichtige Orientierungshilfen zu diesem Thema.
Der Fall
Die aktuelle Entscheidung des BGH (Beschluss vom 07.03.2024 – I ZB 40/23) beleuchtet diese Frage präzise. Zwei Schwestern forderten von ihrer Tante als Alleinerbin Auskunft über den Nachlass ihrer Großmutter, insbesondere durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Nachdem sie die Vollständigkeit des vorgelegten Verzeichnisses, selbst nach dem Notar bereits einmal nachgebessert hatte, infrage stellten, stellte sich die Frage nach der Tiefe der Ermittlungspflicht des Notars und sie beantragten gegen die Erbin ein Zwangsgeld festzusetzen, weil diese ihre Verpflichtung aus einem zuvor insoweit im Rahmen einer Stufenklage ergangenen Teilanerkenntnisurteil nicht hinreichend nachgekommen sei. Sie behaupteten mit dem vorgelegten Verzeichnis sei der titulierte Anspruch nicht erfüllt worden.
Die Entscheidung des BGH
Nachdem sie bereits jeweils in den Instanzgerichten unterlegen waren, zogen sie mit einer Rechtsbeschwerde zum BGH. Dieser stellte klar, dass die Nachforschungspflicht des Notars Grenzen hat. Ohne konkrete Anhaltspunkte für weiteres Nachlassvermögen sei der Notar nicht verpflichtet, in alle Richtungen zu ermitteln. Die Ermittlungen müssen sich auf objektiv nachvollziehbare Fakten stützen, die darauf hinweisen, dass weiteres Vermögen existieren könnte. Die bloße Möglichkeit weiterer Vermögenswerte reicht nicht aus, um eine Nachforschungspflicht zu begründen.
Bedeutung für die Praxis
Diese Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für die Praxis. Sie unterstreicht, dass die Nachforschungspflicht des Notars nicht unbegrenzt ist und schützt ihn vor einer Überforderung durch unbestimmte und unbegrenzte Ermittlungsanforderungen. Gleichzeitig verdeutlicht sie den Pflichtteilsberechtigten, dass sie konkrete Anhaltspunkte für die Existenz weiteren Nachlassvermögens liefern müssen, um eine tiefergehende Ermittlung zu fordern. Wer so als Pflichtteilsberechtigter nicht mehr als bloße Mutmaßungen liefern kann, der wird am Ende auch mit einem notariellen Nachlassverzeichnis nicht glücklich werden. Auch wenn die Kosten dafür der Nachlass trägt, so sind Pflichtteilsberechtigte indirekt mit ihrer Pflichtteilsquote an den Kosten beteiligt, weil diese als Nachlassverbindlichkeiten auf der Passivseite bei der Berechnung des Pflichtteils Berücksichtigung finden.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.