Pflichtteilsberechtigte, also Abkömmlinge, Ehegatten oder Eltern, die durch Testament enterbt worden sind, können von dem oder den Erben die Erstellung eines privatschriftlichen und oder notariellen Nachlassverzeichnisses über Bestand und Umfang des Nachlasses verlangen. Dies ist in § 2314 BGB geregelt. Gerade dann, wenn ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangt wird, bringt dieses den Anspruch nur dann zum Erlöschen, wenn dieses „ordnungsgemäß“ vom Notar erstellt wurde. Aber nicht jedes notarielle Nachlassverzeichnis erfüllt auch tatsächlich diese Voraussetzungen, wie zwei Entscheidungen des OLG Celle (Urteil vom 29.10.2020, 6 U 34/20 und Beschluss vom 25.03.2021, 6 U 74/20) zeigen. Letzteres ist regelmäßig nicht der Fall, wenn sich der Notar nur auf Angaben des Erben verlassen hat, ohne eigene Nachforschungen anzustellen.
Streit zwischen Stiefmutter und Sohn
Im Verfahren 6 U 34/20 hatte der Erblasser seine 2. Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt und seinen Sohn enterbt. Dieser verlangte nun von seiner Stiefmutter ein notarielles Nachlassverzeichnis. Dass ihm nun von der Erbin vorgelegte Nachlassverzeichnis hielt er für unzureichend, weil der Notar nach seinem Verständnis sich teilweise nur auf die Angaben der Erben verlassen und keine eigenen Ermittlungen durchgeführt hat.
Streit zwischen Bruder und Schwester
Im Verfahren 6 U 74/20 hatte die Erblasserin ihren Sohn zum Alleinerben eingesetzt und damit ihre Tochter enterbt. Diese verlangte nun von ihrem Bruder ein notarielles Nachlassverzeichnis. Der Notar hatte insoweit lediglich die Angaben des Erben aufgenommen, wonach nur 2 Bankkonten vorhanden und der Sohn lebzeitig von der Erblasserin eine Schenkung in Höhe von 50.000 € erhalten habe.
Die pflichtteilsberechtigte Tochter hatte aber anderweitig davon Kenntnis erlangt, dass bei derselben Bank noch mindestens 4 weitere Konten vorhanden waren. Sie verlangte deshalb die Vorlage eines neuen Nachlassverzeichnisses.
Die Frage, wann ein notarielles Nachlassverzeichnis ordnungsgemäß ist, ist oft schwer zu beurteilen
Während im Verfahren 6 U 34/20 der pflichtteilsberechtigte Sohn in beiden Instanzen erfolgreich war, war im Verfahren 6 U 74/20 die Tochter erstinstanzlich zunächst unterlegen. Im Berufungsverfahren hatten die Parteien dann den Rechtsstreit für erledigt erklärt, weil der Erbe seine Schwester ermächtigt hatte, selbst Auskünfte einzuholen.
Größere Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit durch eigene Nachforschungspflicht des Notars
Zunächst haben die Richter klargestellt, dass im Gegensatz zu einem privatschriftlichen Nachlassverzeichnis ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft darstellen solle. Deshalb müsse der Notar den Bestand des Nachlasses auch eigenständig ermitteln. Er habe dabei diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein Pflichtteilsberechtigter allgemein für erforderlich halten würde. Dazu gehöre, dass er hinsichtlich Bankguthaben, Wertpapierdepots und möglichen Steuerrückerstattungen selbst bei den in Betracht kommenden Banken und dem zuständigen Finanzamt nachfragen müsse. Er müsse auch Unterlagen des Erblassers nach Anhaltspunkten für weitere Vermögensgegenstände durchsehen. Auch der Inhalt eines Bankschließfach müsse von ihm selbst gesichtet werden. Ebenso sei er verpflichtet Schenkungen, die der Erblasser vor seinem Tod vorgenommen habe, aufzuklären. All dem seien die Notare in beiden Verfahren nicht nachgekommen.
Soweit das Gericht beiden Geschwistern die Kosten des Rechtsstreits gleichmäßig auferlegt hat, haben die Richter dies damit begründet, dass die Konten, nach denen sich der Notar nicht erkundigt hatte, er zwischenzeitlich der Klägerin bekannt geworden seien. Sie habe aber mit ihrer Klage Ermittlungen des Notars dazu erreichen wollen, ob sich aus Kontobewegungen Hinweise auf (weitere) Schenkungen ergeben. Dieses Anliegen greife aber zu weit, denn auch wenn der Notar möglicherweise verpflichtet gewesen sei, Kontoauszüge im Hinblick auf angegebene Verwendungszwecke oder Auffälligkeit zu überprüfen, sei es nicht seine Aufgabe solche Auffälligkeiten inhaltlich daraufhin zu bewerten, ob sie Hinweise auf Schenkungen enthielten.
Anmerkung:
Die Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis trägt der Nachlass. Dies bedeutet, dass sie grundsätzlich der Erbe oder die Erben bezahlen muss, jedoch eine Nachlassverbindlichkeit entsteht, die dann als Abzugsposten bei den Passiva Berücksichtigung findet, so dass der Pflichtteilsberechtigte mittelbar in Höhe seiner Pflichtteilsquote an den Kosten beteiligt wird. Die Richter haben dabei im Übrigen auch klargestellt, dass ein Notar seinen Gebührenanspruch erst dann verdient habe, wenn er ein ordnungsgemäßes Nachlassverzeichnis erstellt habe.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.