Vereine spielen in Deutschland eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben. Sie fördern den Sport, die Kultur, das soziale Engagement und vieles mehr. Ihre finanzielle Grundlage bilden meist die Beiträge der Mitglieder sowie Spendeneinnahmen. Doch was passiert, wenn unvorhergesehene Ausgaben oder finanzielle Engpässe die Finanzplanung eines Vereins durcheinanderbringen? Eine Möglichkeit, solche Herausforderungen zu bewältigen, ist die Erhebung von Sonderumlagen. Dies jedenfalls dann, wenn eine solche Regelung in der Satzung vorhanden ist. Doch unter welchen Voraussetzungen sind diese zulässig? Ein Urteil des Landgerichts OLG Brandenburg (Urteil vom 28.06. 2022, 3 U 88/21) liefert dazu interessante Einblicke und liefert weiterführende Hinweise.
Der rechtliche Rahmen
Sonderumlagen sind zusätzliche finanzielle Beiträge, die von den Mitgliedern eines Vereins über die regulären Mitgliedsbeiträge hinaus erhoben werden. Die rechtliche Grundlage für die Erhebung von Sonderumlagen muss in der Satzung des Vereins verankert sein. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), welches die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Vereine in Deutschland regelt, enthält in den §§ 21 ff. BGB grundsätzliche Vorschriften zur Vereinstätigkeit, lässt jedoch viele Details zur internen Organisation und Finanzierung der Vereine offen. Diese Gestaltungsfreiheit ermöglicht es Vereinen, ihre Angelegenheiten individuell zu regeln, erfordert jedoch eine präzise und vorausschauende Satzungsgestaltung.
Der Fall
Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Rechtmäßigkeit einer Sonderumlage, die ein Dachverband der Kleingärtner von seinen Mitgliedern, Kleingartenvereinen, zur Deckung außergewöhnlicher Aufwendungen beschlossen hatte. Der Beklagte, ein Mitgliedsverein, weigerte sich, die Umlage zu zahlen, und argumentierte, die Umlage sei nicht durch die Satzung gedeckt und diene nicht der Deckung eines außergewöhnlichen Bedarfs. Das Landgericht Potsdam sprach die Klage des Dachverbandes zunächst teilweise zu, die Entscheidung wurde jedoch vom Berufungsgericht abgeändert und die Klage in Gänze abgewiesen.
Rechtliche Würdigung
Das Berufungsgericht legte in seiner Entscheidung dar, dass Sonderumlagen zwar grundsätzlich ein legitimes Mittel zur Deckung außergewöhnlicher finanzieller Bedürfnisse eines Vereins sein können, ihre Erhebung jedoch strikt den in der Satzung festgelegten Voraussetzungen folgen muss. Ein zentraler Aspekt war hierbei die Definition des „außergewöhnlichen Bedarfs“. Das Gericht stellte klar, dass nur solche Ausgaben als außergewöhnlich gelten können, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallen und die nicht regelmäßig oder vorhersehbar sind. Zudem müssen sie von erheblicher finanzieller Bedeutung für den Verein sein. In der Konsequenz handelt es sich folglich immer dann um außerordentliche Aufwendungen, wenn das sie verursachende Ereignis sowohl untypisch als auch unregelmäßig bzw. selten ist.
In diesem Fall wurde die Erhebung der Sonderumlage unter anderem damit begründet, dass Rücklagen für mögliche zukünftige Ausgaben und Schadenersatzforderungen gebildet werden sollten. Das Gericht erkannte jedoch an, dass solche Rücklagen nicht auf unmittelbar bevorstehenden oder konkretisierten finanziellen Verpflichtungen beruhten und somit nicht den Kriterien für einen außergewöhnlichen Bedarf entsprachen. Darüber hinaus bemängelte das Gericht eine mangelnde Bestimmtheit des Umlagebeschlusses hinsichtlich der genauen Verwendung der Mittel.
Fazit:
Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit für Vereine, ihre Satzungen präzise zu formulieren und sich streng an diese zu halten, insbesondere wenn es um die Erhebung von Sonderumlagen geht. Sie zeigt auch, dass der Begriff des „außergewöhnlichen Bedarfs“ eng auszulegen ist und dass die finanzielle Planung und Verwendung von Vereinsmitteln transparent und nachvollziehbar gestaltet sein muss. Kann der laufende Geschäftsbetrieb regelmäßig nicht mit den Mitgliedsbeiträgen gedeckt werden, sondern entsteht eine immer wiederkehrende Unterdeckung, dann rechtfertigt dies grundsätzlich keine Sonderumlage.
Mitglieder dagegen sollten stets kritischen Fragen, ob das, was ihnen zu Entscheidung vorgelegt wird, überhaupt von der Satzung gedeckt wird. Maßgebliche Bedeutung hat dabei auch die der Beschlussvorlage beigelegte Begründung, weil Mitglieder darüber informiert werden müssen, wofür genau das Geld, dass sie zusätzlich bezahlen müssen, eingesetzt wird.
Das sollten Vereine beachten
Für Vereine bedeutet dies, dass sie gut beraten sind, ihre Satzungen regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sie den finanziellen Anforderungen des Vereinslebens gerecht werden können, ohne dabei die rechtlichen Grenzen zu überschreiten. Es ist auch ratsam, vor der Beschlussfassung über Sonderumlagen eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen und finanziellen Situation des Vereins vorzunehmen und die Mitglieder umfassend über die Gründe und die Notwendigkeit der Umlage zu informieren.
Das sollten Mitglieder wissen
Für Mitglieder bedeutet dies wiederum, dass – wie der Fall zeigt – -nicht jeder Beschluss, der über die Erhebung einer Sonderumlage gefastet, auch rechtmäßig sein muss. Gerade dann, wenn beispielsweise eine Vereinsführung es unterlassen hat, über viele Jahre hinweg eine vorhandene Finanzlücke zu schließen, deuten eher auf eine chronische Unterfinanzierung hin als auf einen unvorhergesehenen, außerordentlichen Bedarf, so dass in derartigen Fällen schon berechtigte Zweifel daran bestehen, ob überhaupt ein wichtiger Grund zu Erhebung einer Sonderumlage vorliegt.
Die Gleichbehandlung der Mitglieder ist ein fundamentales Prinzip im Vereinsrecht, das durch § 26 BGB und die darin verankerte Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung gestützt wird. Jede Abweichung von der Satzung, insbesondere in Bezug auf finanzielle Beiträge der Mitglieder, bedarf einer entsprechenden satzungsmäßigen Grundlage oder einer Satzungsänderung, die in der Regel eine qualifizierte Mehrheit in der Mitgliederversammlung erfordert. Wird also in einem Umlagebeschluss über die Höhe der Sonderumlage differenziert, ohne dass dafür in der Satzung eine Grundlage vorhanden ist, dann können sich auch daraus rechtliche Bedenken ergeben, die gegen eine Wirksamkeit eines solchen Beschlussfassung sprechen.