Ärzte sind Unternehmer. Als solche nutzen viele auch das Internet, um neue Patienten zu gewinnen. Kaum ein Arzt, der deshalb nicht auch eine eigene Internetseite, auf der er sich, seine Praxis und die angebotenen Leistungen beschreibt, betreibt. Hier ist allerdings aus ärztlicher Sicht Vorsicht geboten, denn nicht jede Leistung, die der Arzt in seiner Praxis erbringt, darf auch beworben werden. Dies gilt insbesondere für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. So hat das AG Gießen mit Urteil vom 24.11.2017 (500 DS 501 JS 15031/15) eine Allgemeinärztin, die genau einen solchen Hinweis auf ihrer Internetseite hatte, zu einer Geldstrafe von 6.000 € wegen Verstoß gegen § 219 a StGB verurteilt.
Allgemeinärztin wirbt auf ihrer Internetseite mit der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen
Eine Allgemeinärztin, die in ihrer Praxis unter anderem auch Schwangerschaftsabbrüche durchführt, bot auf ihre Homepage – neben anderen medizinischen Leistungen – auch die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen an.
Über den Link „Schwangerschaftsabbruch“ wird dabei eine Pfd. zum Download angeboten, die allgemeine Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sowie der Durchführung und den Methoden in der Praxis der Angeklagten enthält. Darin werden die Methoden, nämlich
– operativ
– mit örtlicher Betäubung
– mit Vollnarkose
– medikamentös
beschrieben sowie die Gründe, die für oder gegen die jeweilige Methode sprechen. Auch wird ausgeführt, dass in der Praxis der Angeklagten alle darin beschriebenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs durchgeführt werden unter Hinweis auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen oder bei Privatzahlerinnen. Zusammenfassend steht unter der Rubrik „Was müssen Sie mitbringen?
– Beratungsbescheinigung über die nach § 219 StGB durchgeführte Beratung oder Indikation nach § 218 StGB.
– Blutgruppennachweis
– Versichertenkarte
– Kostenübernahmebescheinigung oder Bargeld,
– Überweisungsschein der Frauenärztin/des Frauenarztes“.
Als die Staatsanwaltschaft davon Kenntnis erlangt hatte, erhob sie Anklage.
Da die Seite im Internet öffentlich zugänglich war und auch über Suchmaschinen wie beispielsweise Google, durch Eingabe des Suchbegriffes „Schwangerschaftsabbruch“ gefunden werden konnte, wertete die Staatsanwaltschaft dies als verbotene Werbung für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Die angeklagte Ärztin räumte zwar ein, Betreiberin der Internetseite zu sein. Zu ihrer Verteidigung vertrat sie aber die Auffassung, dass sie hiermit lediglich eine Information zum Schwangerschaftsabbruch gesetzt, nicht aber ihre Dienste angeboten habe. Für die tatsächliche Durchführung des Schwangerschaftsabbruches müsste vorher eine Beratung erfolgen oder ein Indikationsfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Sie habe lediglich über die Möglichkeiten, die eine Patientin hat, informiert.
Gericht verurteilt bis dahin unbescholtene Ärztin zu 6.000 € Geldstrafe
Die Einlassung der Ärztin fand beim Amtsgericht kein Gehör, denn nach § 219 a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer öffentlich eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt.
Die Angeklagte hat das Angebot öffentlich gemacht, da jedermann über das Internet auf die Homepage der Angeklagten zugreifen kann.
Keine bloße Information
Die Angeklagte hat ihre Leistung nach Auffassung des Gerichts auch angeboten, da sie die Erklärung abgegeben hat, es bestehe die Bereitschaft, Abtreibungsdienste durchzuführen.
Die Angeklagte informiert jedoch nicht nur über den Schwangerschaftsabbruch, sie bietet gezielt ihre Tätigkeit als Ärztin an. Selbst eine aufklärende Information erfüllt den Tatbestand des § 219 a, wenn das Anbieten mit der Leistung verknüpft ist. Dabei ist es entgegen der amtlichen Überschrift des §§ 219 a StGB nicht notwendig, dass diese Informationen einen besonderen werbenden Charakter besitzen.
Die Angeklagte handelt auch ihres Vorteils wegen. Es ist nämlich für Jedermann erkennbar, dass die Angeklagte es auf ihrer Internetseite nicht bei einer reinen Information der einzelnen Möglichkeiten über den Schwangerschaftsabbruch belässt, vielmehr ergibt sich daraus eindeutig, dass die Leistungen gegen ärztliches Honorar geleistet werden, nämlich entweder über die Krankenkassen oder durch Barzahlung, wobei das Bargeld direkt zum Termin mitzubringen ist. Das ist die klassische Form der Patientenakquise.
Die Angeklagte hat durch das Anbieten der Leistungen im Internet auch einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Ärzten, die sich an das Werbeverbot halten. Die Angeklagte kann nämlich auf diese Weise Patientinnen schon im Vorfeld erreichen, während die übrigen Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, erst im Rahmen des Beratungsgespräches bekannt gegeben werden. Dies wird zwanglos durch die eigene Angabe der Angeklagten bestätigt, dass im letzten Jahr nur zwei Patientinnen über die Beratungsstellen den Weg zu ihr gefunden haben.
Verbot verstößt nicht gegen Artikel 12 GG
Das Verbot für Schwangerschaftsabbrüche zu werben verstößt nach Auffassung des Gerichts nicht gegen Art. 12 GG. Zwar hat ein Arzt grundsätzlich das Recht die Öffentlichkeit darüber zu informieren, welche Leistungen in seiner Praxis erbracht werden.
Da das Recht des Arztes auf freie Berufsausübung gemäß Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG, das in Art. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Recht des ungeborenen Lebens beeinträchtigt, ist insoweit die Einschränkung des Informationsrecht hinzunehmen. Dies ist in § 219 a StGB geschehen. Eine eingeschränkte Auslegung dieser Vorschrift ist nicht veranlasst. Denn das Recht auf Berufsausübung in dieser Weise tangiert in vorliegenden Fall das Recht des ungeborenen Lebens. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist davon auszugehen, dass für die gesamte Dauer der Schwangerschaft die Abtreibung grundsätzlich Unrecht ist, da auch dem ungeborenen Leben Menschenwürde zukommt (BVerfGE 88/203 ff.). Die aktuelle Gesamtregelung der §§ 218 ff StGB zum Schwangerschaftsabbruch ist seit der Gesetzesreform 1995 gültig und wurde durch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1998 bestätigt. In diesem Zuge wurde durch Einführung des §§ 218 a unter bestimmten Voraussetzungen der Schwangerschaftsabbruch straflos gestellt. Gleichwohl bleibt der gesetzgeberische Wille, wie er in § 219 a StGB zum Ausdruck kommt, dass die Abtreibung in der Öffentlichkeit nicht als etwas normales dargestellt und kommerzialisiert werden darf und deshalb unter Strafe gestellt ist. Nach dem Willen des Gesetzes sollen Frauen, die abtreiben wollen, sich zunächst bei einer staatlichen, also neutralen Beratungsstelle informieren, die selbst kein Interesse an der Durchführung der Abtreibung hat.
Dem legitimen Bedürfnis der betroffenen Frau nach Information über Ärzte, die bereit sind den Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, wird ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass sie nach ausführlicher Information durch die Beratungsstelle -bei Fortbestehen des Abtreibungswunsches- die Liste der zur Abtreibung bereiten Ärzte erhält. Durch dieses Schutzkonzept ist gewährleistet, dass die betroffene Frau eine ergebnisoffene Beratung erhält, die ihr Informationsinteresse erfüllt.
Würde man werbende Maßnahmen für den Schwangerschaftsabbruch zulassen, würde die staatliche Pflicht, ungeborenes Leben zu schützen, ins Leere laufen.
Angeklagte Ärztin handelte vorsätzlich
Das Gericht ging dabei auch von vorsätzlichem Handeln aus, denn als Ärztin für Allgemeinmedizin mit einer Spezialisierung auf dem Gebiet des Schwangerschaftsabbruchs unterstellte das Gericht, dass die insoweit bestehenden gesetzlichen Regelungen der §§ 218 ff. StGB bekannt seien. Insoweit zum Verhängnis wurde der Ärztin wohl aber, dass gegen Sie bereits im Jahr 2009 wegen eines ähnlichen Vorwurfs ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt worden war. Dieses hatte die Staatsanwaltschaft seinerzeit nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil sich zum damaligen Zeitpunkt die Ärztin in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hätte.
Da die Ärztin keine Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hatte, hatte das Gericht das Einkommen geschätzt und war von einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.500 € ausgegangen. Es hat deshalb die Höhe eines Tagessatzes mit 150 € beziffert und als schuldangemessen 40 Tagessätze festgesetzt, sodass sich eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 € ergibt.