Wer den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Abschluss eines Ehevertrags ausgeschlossen hat, muss stets befürchten, dass die vertragliche Vereinbarung im Falle der Trennung dann von einem Gericht für nichtig oder jedenfalls angreifbar angesehen wird. Wir sagen Ihnen nachfolgend worauf es ankommt.
Unterscheidung zwischen Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle
1. Bei der Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen mit denen der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden soll, muss streng zwischen der Inhaltskontrolle einerseits und der Ausübungskontrolle andererseits unterschieden werden.
Während bei der Inhaltskontrolle auf die Verhältnisse der (künftigen) Ehegatten im Zeitpunkt des Zustandekommens des Ehevertrages abzustellen ist, sind bei der Ausübungskontrolle die Verhältnisse im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft maßgeblich.
2. Daran knüpfen unterschiedliche Rechtsfolgen:
- Führt die Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit des Ehevertrages, dann gelten die gesetzlichen Regeln.
- Greift dagegen lediglich die Ausübungskontrolle ein, muss der (wirksame!) Vertrag lediglich den geänderten Verhältnissen angepasst werden.
3. Die Inhaltskontrolle wird nur sehr selten und ausnahmsweise zur Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags führen, also beispielsweise, wenn die Ehefrau bei Abschluss des Vertrags sich durch eine Schwangerschaft in einer „Notsituation“ befunden hat, weil der Ehemann die Heirat vom Abschluss des Ehevertrags abhängig gemacht hat (BGH, Beschl. v. 15.3.2017, XII ZB 109/16, FamRZ 2017, 884).
Das Eingreifen der Ausübungskontrolle wird dagegen eher in Betracht zu ziehen sein, z.B. wenn ein Ehegatte wegen unvorhergesehener Umstände einem Erwerb nicht (dauerhaft) nachgehen konnte. Dabei darf der durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligte Ehegatte nicht besser gestellt werden als er ohne die Ehe und den damit einhergehenden Erwerbsverzicht stünde. Dies macht aufwendige fiktive Berechnungen im Versorgungsausgleich erforderlich, wie die das nachfolgende Beispiel anschaulich verdeutlicht.
Ehegatten vereinbaren 4 Monate vor der Eheschließung Güterstand der Gütertrennung mit Verzicht auf Versorgungsausgleich
In einem vom OLG Bremen (Beschluss vom 24.05.2017 – 4 UF 152/16) entschiedenen Rechtsstreit hatten die künftigen Ehegatten 4 Monate vor der Eheschließung in einem Ehevertrag den Güterstand der Gütertrennung vereinbart, Versorgungsausgleich ausgeschlossen und wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Davon sollte auch der Betreuungsunterhalt für den Fall, dass aus der Ehe gemeinschaftliche Kinder hervorgehen sollten, umfasst werden. Die Ehegatten waren jedoch davon ausgegangen, dass sie eine kinderlose Doppelverdienerehe führen würden.
Bereits ein Jahr nach der Eheschließung kam alles anders und es wurde eine gemeinsame Tochter geboren. Die Antragsgegnerin, eine gelernte Friseurin, hat sich seitdem durchgängig um den gemeinsamen Haushalt sowie die Betreuung und Erziehung der gemeinsamen Tochter gekümmert. Der Antragsteller war voll erwerbstätig als Stapelfahrer.
18 Jahre nach der Eheschließung haben sich die Parteien getrennt und nach 20 Jahren war dann ein Scheidungsverfahren anhängig. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde dann auch über die Wirksamkeit des Ehevertrags bzw. des ausgeschlossenen Versorgungsausgleichs gestritten. Dies deshalb, weil der Antragsteller deutlich mehr Anrechte im Versorgungsausgleich als die Antragsgegnerin erworben hatte.
Trotz Benachteiligung der Ehefrau keine Unwirksamkeit im Rahmen der Inhaltskontrolle
Im Rahmen der zunächst durchgeführten Inhaltskontrolle hatten die Richter nach § 8 Abs. 1 VersAusgG an dem Ehevertrag nichts zu beanstanden.
Bei der Inhaltskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung zu versagen ist (st. Rspr. d. BGH, vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 15.3.2017, XII ZB 109/16, FamRZ 2017, 884).
Neben der Beurteilung des objektiven Vertragsinhaltes sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie ihre sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der Gestaltung des Ehevertrages veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen. Einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen gibt es nicht.
Hinsichtlich der vereinbarten Gütertrennung und somit des Ausschlusses eines späteren Zugewinnausgleichs ist der Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts, so das Gericht, nicht berührt. Ein Verzicht auf den Betreuungsunterhalt ist unbedenklich, wenn (wie hier) kein gemeinsamer Kinderwunsch der Ehegatten besteht und auch sonst für deren Absicht, eine Familie mit Kindern zu gründen, nichts ersichtlich ist.
Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist wirksam, weil eine Doppelverdienerehe geplant und dies auch nicht unrealistisch war. Geringere Verdienstmöglichkeiten eines Ehegatten mit daraus folgenden geringeren Anwartschaften als jene des anderen Ehegatten führen nicht zur Sittenwidrigkeit.
Der Ehevertrag hält nach Auffassung der Richter auch einer Gesamtwürdigung gem. § 138 BGB trotz einseitiger Benachteiligung der Ehefrau stand. Außerhalb der Vertragsurkunde sind nämlich keine verstärkenden Umstände zu erkennen, die auf eine subjektive Imparität – insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit – hindeuten würden.
Jedoch Anpassung des Ehevertrags im Rahmen der Ausübungskontrolle
Dagegen hält der Ausschluss des Versorgungsausgleichs der Ausübungskontrolle gem. § 8 Abs. 1 VersAusglG nicht stand.
Bei der Ausübungskontrolle ist zu prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende ehevertragliche Regelung zu berufen. Im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe muss sich aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine einseitige unzumutbare Lastenverteilung ergeben; dann sind im Wege der Vertragsanpassung die ehebedingten Nachteile auszugleichen (BGH, Beschl. v. 31.10.2012, XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195).
Durch die Geburt der Tochter im Folgejahr der Eheschließung hat die Antragsgegnerin entgegen der ursprünglichen Planung keine Berufstätigkeit ausgeübt und für ihr Alter vorsorgen können. Hierin liegt eine grundlegende Abweichung der tatsächlichen Lebenssituation von den beim Vertragsschluss zugrunde gelegten Lebensumständen.
Bei Anpassung des ausgeschlossenen Versorgungsausgleichs ist grds. kein vollständiger Versorgungsausgleich durchzuführen, sondern nur das ehebedingte Versorgungsdefizit aufzufüllen. Maßstab hierfür ist die Versorgung, die der benachteiligte Gatte bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit voraussichtlich erzielt hätte.
Die fiktiven Versorgungsanrechte der gesetzlichen Rentenversicherung sind i.d.R. auf die Weise zu ermitteln, dass die u.a. anhand tariflicher Regelwerke gem. § 287 ZPO zu schätzenden Entgelte, die bei fiktiver vollschichtiger Erwerbstätigkeit in den Jahren der ehebedingten Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit hätte erzielt werden können, in das Verhältnis zum jeweils gegebenen Durchschnittsentgelt aller Versicherten gesetzt werden und die sich hieraus ergebende Summe an Entgeltpunkten ermittelt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 27.2.2013, XII ZB 90/11, FamRZ 2013, 770).
Es sind daher die voraussichtlich bei durchgängiger Erwerbstätigkeit von der Antragsgegnerin erworbenen Anrechte zu ermitteln. Bei einer Berufstätigkeit als Friseurin ergeben sich dann 9,866 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn sie vollschichtig als Friseurin von September 1995 bis zum Ehezeitende gearbeitet hätte.