Wenn Sie bereits länger Kunde von Netflix, Spotify und Co. sind, dann werden Sie bereits bemerkt haben, dass der Preis, mit dem Sie Ihren Vertrag begonnen haben, heute nicht mehr gilt, sondern sukzessive die Preise erhöht worden sind. Grundlage für die Preiserhöhungen, die einseitig vorgenommen worden sind, ohne dass sie dazu ihre Zustimmung erteilt haben, sind Regelungen in den AGBs der jeweiligen Anbieter. Dort ist geregelt, dass einseitig nach billigem Ermessen die Anbieter die Monatspauschale, die für ein Abonnement zu zahlen ist, erhöhen können. Diese Praxis war bereits seit längerem in das Visier von Verbraucherschützern geraten. Der Bundesverband der Verbraucherzentrale, der insoweit bereits im Dezember 21 und Juni 22 vor dem Landgericht Berlin erfolgreich war, hat nunmehr auch vor dem Kammergericht (Urteile vom 15. November 2023, 23 U 15/22, 23 U 112/22) obsiegt.
Hintergrund
Die Urteile überraschen nicht, denn der BGH hat bereits mit Beschluss vom 15.04.2021 (I ZR 23/20) eine Klausel in den AGB von Netflix, die es dem Streaming Dienstanbieter gestattet hatte, ohne Angabe von Gründen die Preise zu erhöhen, für unwirksam Betrachtet. Allerdings haben sich die obersten Richter damals nicht ausgiebig mit der Thematik befasst, und nicht in der Sache entschieden, weil die Entscheidung im Rahmen einer sog. Nichtzulassungsbeschwerdealso einem Rechtsmittel, mit dem Netflix die Zulassung der Revision erreichen wollte, getroffen wurde, die vom BGH als unzulässig eingestuft worden war.
Kernpunkte der Entscheidungen
Das haben die Richter beanstandet:
1. Unangemessene Benachteiligung der Verbraucher
Die Gerichte stellten fest, dass die Preisanpassungsklauseln in den AGB von Netflix und Spotify die Verbraucher unangemessen iSv § 307 BGB benachteiligen.
2. Fehlende Transparenz und Fairness
Einseitige Preisänderungen sind nur unter fairen und transparenten Bedingungen zulässig. Die Klauseln von Netflix und Spotify erfüllten diese Anforderungen nicht.
3. Fehlende Reziprozität
Die Klauseln verstießen gegen das Gebot der Reziprozität, da sie nur Preiserhöhungen, aber keine entsprechenden Preissenkungen bei Kostensenkungen vorsahen.
4. Möglichkeit der Vertragskündigung statt einseitiger Preisanpassung
Die Gerichte wiesen darauf hin, dass die Streaming-Anbieter stattdessen die Nutzer um Zustimmung zu einem erhöhten Preis bitten und bei Ablehnung das Vertragsverhältnis beenden können.
Rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen
Diese Urteile haben weitreichende Auswirkungen auf die AGB-Praktiken von Streaming-Diensten, weil damit Preiserhöhungen nicht mehr so ohne weiteres durchgesetzt werden können. Der Aufwand Kunden zunächst um Zustimmung zu bitten und dann für den Fall, dass die Zustimmung nicht erteilt wird, den entsprechenden Vertrag zu kündigen, ist um ein Vielfaches höher, als die bisherige Praxis, einfach einseitig den Preis höher festzusetzen. Das Ergebnis ist nicht überraschend, weil ja auch gerade zu Zeiten, als Banken dazu übergingen, aufgrund der Zinsmarktsituation verwahrentgelte für Bankguthaben zu verlangen, auch diesen nicht gestattet war, einfach einseitig solche Preise einzuführen, sondern hierfür musste aufwendig die Zustimmung der Kunden eingeholt werden und für den Fall, dass die Zustimmung nicht kam, muss die Bank dann entscheiden, ob sie gleichwohl das Vertragsverhältnis fortsetzt oder aber künftig auf den Kunden verzichtet. Diese Entwicklung könnte auch andere Branchen beeinflussen, in denen ähnliche AGB-Klauseln verwendet werden.