Ehegatten, die gemeinsam wirtschaften, haben ihr Geldvermögen oder Teile davon oft auf sog. Oder-Konten geparkt. Beim Oder-Konto können – im Gegensatz zum sog. Und-Konto – alle Kontoinhaber unabhängig voneinander handeln, also beispielsweise Überweisungen ohne Zustimmung des oder der anderen Verfügungsberechtigten vornehmen. Im Erbfall wird deshalb auch bei „Oder“-Konten von Ehegatten vermutet, dass diese gegenüber dem Kreditinstitut Gesamtgläubiger, § 428 BGB, sind und im Innenverhältnis eine hälftige Beteiligung besteht, § 430 BGB. Bei einem Rechtsstreit muss deshalb der Gegner der von der Vermutungswirkung begünstigten Partei eine Gestaltung des Innenverhältnisses darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche eine andere als die vom Gesetz vermutete hälftige Beteiligung der beiden Inhaber des Oder-Kontos ergibt (vgl. BGH NJW 1990, 705). Die Vermutungsregel des § 430 BGB gilt auch bei Verfügungen eines Ehegatten über das Oder-Konto während der Ehezeit.
Wird der überlebende Ehegatte nicht Alleinerbe, so dass sich nach dem Ableben des erstversterbenden Ehegatten eine Erbgemeinschaft bildet, dann kann der Überlebende versucht sein, noch kurz vor Eintritt des Erbfalls eine Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten dadurch zu erreichen, dass er Geld vom gemeinschaftlichen Konto überweist. Auch, wenn dies rechtlich möglich ist und faktisch zunächst dazu führt, dass der Erbmasse Vermögen entzogen wird, hat allerdings eine solche Vermögensverschiebung dauerhaft keinen Bestand, denn aufgrund der vorgenannten Vermutungswirkung, dass das Guthaben beiden Ehegatten gemeinschaftlich gehört, entsteht für solche Verfügungen zugunsten der Erbengemeinschaft ein Anspruch auf Rückzahlung des hälftigen Betrags aus § 430 BGB und zwar gleichgültig, ob noch kurz vor Eintritt des Erbfalls oder erst danach verfügt worden ist. Dem erstgenannten Fall steht ein solcher Anspruch zunächst dem Erblasser zu und geht im Wege der Erbfolge auf die Erbengemeinschaft über; im letztgenannten Fall hat den Anspruch die Erbengemeinschaft direkt.
Tipp:
Ein Oder-Konto kann übrigens jederzeit durch einseitige Erklärung eines Berechtigten in ein Und-Konto umgewandelt werden. Befürchten also nach Eintritt des Erbfalls Miterben, zum Beispiel Kinder des Erblassers, dass der überlebende Ehegatte, beispielsweise die Stiefmutter, Vermögensverfügungen zu ihrem Nachteil vornehmen wird, dann kann dem dadurch vorgebeugt werden, dass sie in ihrer Eigenschaft als Miterben gegenüber der Bank eine Umwandlung des Kontos in ein Und-Konto verlangen. Letzteres kann insbesondere auch dann ein adäquates Mittel sein, wenn der überlebende Ehegatte an Demenz leidet und zu befürchten ist, dass einer der Miterben dies ausnutzen wird. Wir haben so in einem von unserer Kanzlei vor einiger Zeit begleiteten Erbfall, bei dem eine Miterbin die demente Mutter dazu veranlassen wollte, zu ihren Gunsten eine beträchtliche Vermögensverfügung vorzunehmen, nicht nur dies verhindert, sondern – nach den Schilderungen der Bankbetreuer – einen Tobsuchtsanfall bei der Miterbin ausgelöst, als diese mit ihrer dementen Mutter bei der Bank erschienen war, um das Vermögen zu verschieben und der Bankbetreuer mitgeteilt hat, dass kurz vorher das Konto auf Veranlassung der von uns vertretenen Miterbin in ein Und-Konto umgewandelt worden war, so dass eine Verfügung ohne Zustimmung der von uns vertretenen Miterbin nicht mehr möglich war.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.