Während sich die „Abmahnindustrie“ beim Filesharing lange Zeit darauf beschränkt hat nur diejenigen abzukassieren, die sich nicht oder nicht ernsthaft gewehrt haben, erreichen uns immer mehr Meldungen, dass nunmehr verstärkt versucht wird, nach abgegebenen Unterlassungserklärung, die bereits mehrere Jahre zurück liegen, Schadenersatz und Rechtsverfolgungskosten einzuklagen. Sollten also auch Sie schon vor längerem Opfer einer solchen Abmahnung geworden und bislang, nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung unbehelligt geblieben sein, dann ist nicht auszuschließen, dass Ihnen in den nächsten Wochen eine Klage oder aber ein Mahnbescheid zugestellt werden wird.
Wer sich nicht richtig wehrt, der hat schon verloren
Auch, wenn im letztgenannten Fall durch Einlegung eines Widerspruchs das gerichtliche Mahnverfahren beendet werden kann, sollten Sie gleichwohl von Anfang an qualifizierte anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um der Gegenseite zu dokumentieren, dass Sie sich ernsthaft wehren. Es gibt nämlich durchaus Möglichkeiten, wie erfolgreich auch eine gerichtliche Inanspruchnahme abgewehrt werden kann. Dies verdeutlicht ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 31.08.2016 (4 C 1254/16) indem das Gericht die Klage abgewiesen und damit zu Gunsten des Abgemahnten entschieden hat. Dass auch in dieser Runde die Abmahnung wiederum zuerst auf die schwachen losgehen und mit Einschüchterung arbeiten, wird bereits daraus deutlich, dass in allen uns bekannten Fällen, in denen nach abgegebene Unterlassungserklärung Deine, oft einige Jahre später, gerichtliche Schritte eingeleitet wurden, stets die anwaltliche Vertretung ignoriert, also eine unmittelbare Zustellung an die Partei veranlasst worden ist. Dies ist zwar standesrechtlich nicht in Ordnung, zeigt aber, dass auch hier die Abmahner darauf spekulieren, dass dann, wenn ein gerichtliches Dokument im Briefkasten liegt, wieder ein Teil der Abgemahnten einknicken und aus Angst vor den Kosten, lieber in den sauren Apfel beißen und bezahlen.
Klägerin verlangt 2.000 € Schadenersatz sowie 1.099 € netto Aufwendungsersatz für Rechtsanwaltskosten
In dem vom Amtsgericht Stuttgart entschieden Rechtsstreit verlangte die Klägerin wegen behaupteten Filesharing im Wege der Lizenzanalogie Schadenersatz in Höhe von 2.000 €. Sie hat dabei den 400- fachen Wert eine Lizenz im Verletzungszeitpunkt zu Grunde gelegt. Zusätzlich wurden Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1099 € netto verlangt. Die Anwaltsgebühren sind dabei aus einem Gegenstandswert von 35.000 €, den die Rechtsvertreter der Abmahnenden Gesellschaft festgesetzt hatten, berechnet worden. Gerügt worden war das widerrechtliche zugänglich machen des Computerspiels „Landwirtschafts-Simulator 2013″.
Die Klägerin möchte dabei den Familienvater als Anschlussinhaber in Anspruch nehmen und behauptet, dieser habe mit einer Angabe der möglichen Täterschaft seiner (ehemaligen) Ehefrau und seiner beiden minderjährigen Söhne seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt.
Beklagter bestreitet eine Rechtsverletzung durch Filesharing begangen zu haben und verweist auf Ehefrau und Kinder als mögliche Verletzer
Der Beklagte dagegen gab an, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Neben seiner damaligen Ehefrau hätten auch noch seine am 14.12.1907 70 und am 14.02.2002 geborenen Söhne den Internetanschluss genutzt. Alle Familienmitglieder hätten dabei über einen eigenen PC bzw. ein Tablett verfügt. Auf Nachfrage hätten zwar seine Familie Mitglieder die Nutzung einer Tauschbörsensoftware nicht eingeräumt. Ausschließen würde er dies aber nicht. Sein WLAN sei individuell passwortgesichert und nach WPA 2 verschlüsselt gewesen. Den minderjährigen Söhnen habe er auch explizit den Umgang mit Tauschbörsen verboten.
Nachweis der Täterschaft des Beklagten durch Klägerin nicht erbracht
Das Gericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin den Nachweis der Täterschaft des Beklagten nach seiner Auffassung nicht erbracht hat. Zur Begründung hat es dann ausgeführt:
„1. a) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der lnternetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.
Den Beklagten trifft als Inhaber des lnternetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegung; dieser genügt er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem lnternetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 08.01.2014, Aktz: l ZR 169/12, BearShare).
Dem Anschlussinhaber obliegt es somit im Sinne einer sekundären Darlegungslast einen ebenso möglichen Geschehensablauf vorzutragen, nach dem die Tatbegehung durch einen Dritten ernsthaft in Betracht kommt. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. BGH, BearShare).
Wie weit diese Nachforschungspflicht reicht und wie substantiiert der Vortrag des Beklagten zur Mitbenutzungsmöglichkeit seines Anschlusses durch Dritte sein muss, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Ungenügend ist ein Vortrag dahingehend, nicht namentlich benannte Dritte hätten den Anschluss mitbenutzen können, bzw. die pauschale Vermutung, Dritte hätten unberechtigterweise den Anschluss „gehackt“.
Dies würde den Sinn der sekundären Darlegungslast zuwiderlaufen, welche den Rechteinhaber nicht nur die Kenntnis von rein theoretischen Geschehensabläufen bzw. entfernt liegenden Möglichkeiten eines Zugriffs von Dritten vermitteln, sondern den Rechteinhaber in die Lage versetzen soll, anhand der dargelegten Fakten sich ein konkretes Bild von dem seitens des Anschlussinhabers geschilderten Sachverhalt zu machen und sein weiteres Vorgehen darauf abzustimmen.
Der Beklagte hat, nachdem er alle Familienmitglieder angehört hat, konkret zu möglichen Alleintätern sowie zu deren Nutzungsverhalten vorgetragen; er hat seine Darlegungslast auch nicht deshalb verletzt, weil er seinen Familienangehörigen insofern glaubte, dass sie nicht Täter waren, bzw. er keine Vermutung hinsichtlich der Täterschaft eines Familienmitglieds äußerte (vgl. AG Saarbrücken, Urteil vom 14.10.2015, Aktz: 121 C 135/15, wonach dem Beklagten gem. § 138 Abs. 3 ZPO lediglich die Benennung von Tatsachen obliegt, er indes keine Wertung vorzunehmen hat).
Eine weitergehende Nachforschung und daraus resultierende Darlegungslast obliegt dem Beklagten nicht. Die sekundäre Darlegungs- und Nachforschungspflicht geht nicht so weit, dass sie nur dann als erfüllt angesehen werden kann, wenn der Anschlussinhaber einen Alleintäter individuell namentlich benennt. Vielmehr ist eine Konkretisierung dergestalt ausreichend, dass ein klar abgrenzbarer Personenkreis zum Tatzeitpunkt tatsächlich Zugang zum Internet hatte und dieser Personenkreis namentlich benannt wird (vgl. LG Köln, Urteil vom 05.06.2013, Aktz: 28 O 346/12).
In diesem Umfang besteht im Rahmen des Zumutbaren auch eine Nachforschungspflicht (so BGH, Bear-Share a.a.O.).
Der Beklagte war, da er in dem geforderten Umfang aufgrund seiner Nachforschung vortragen konnte und auch vorgetragen hat, zu weiteren Nachforschungen nicht verpflichtet; insbesondere nicht, die vorhandenen Computer auf File-Software zu untersuchen.
Wie bereits ausgeführt, ist der Anschlussinhaber aufgrund seiner sekundären Darlegungslast nicht gehalten, Nachforschungen in einem Umfang zu betreiben, welche über die Aufzeigung der konkreten Möglichkeit der Benutzung des Internets durch Dritte und deren Benennung hinausgehen. Nachforschungen, die die Benennung eines konkreten individuellen Täters ermöglichen, verknüpft mit einer folgenden Benennungspflicht des Täters, würde den Umfang der dem Anschlussinhaber obliegenden Darlegungslast sprengen.
Auch würde dies entgegen der Rechtsprechung des BGH über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast des Anschlussinhabers hinausgehen und diesen dazu verpflichten, dem Anspruchssteller alle von diesem benötigten Informationen zu verschaffen; hierzu ist der Anschlussinhaber jedoch gerade nicht verpflichtet (vgl. BGH, BearShare; LG Düsseldorf, Urteil, Aktz: 12 O 579/10; Koch, jurisPR-ITR 6/2016, Anm. 5).
Die sekundäre Darlegungslast und Nachforschungspflicht in einem Maße auszudehnen, dass sie nur dann als erfüllt erachtet wird, wenn der Anschlussinhaber zu Nachforschungen in einer Weise verpflichtet wird, die ihm die Benennung eines konkreten Täters ermöglichen und ihn zur Benennung sodann zu verpflichten, würde konkret dazu führen, dass der Anschlussinhaber auf diesem Weg den Beweis des Gegenteils zu erbringen hätte. Der Beklagte hat somit vorliegend seine Darlegungs- und Nachforschungsverpflichtung erfüllt.
b) Da die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgetragene Tatsachen seitens der Klägerin bestritten wurden, ist die Frage zu klären, wem diesbezüglich die Beweislast aufzuerlegen ist. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur strittig.
Ein Großteil der Rechtsprechung geht davon aus, dass bei ausreichend sekundärer Darlegung nicht der Anschlussinhaber, sondern der Rechteinhaber, die vom Verletzer aufgestellten Behauptungen widerlegen muss (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 01.07.2015, Aktz: 9 S 433/14, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach anderer Ansicht hat der Anschlussinhaber zwar nicht die „alleinige Verantwortlichkeit der anderen (Beweis des Gegenteils), aber die für ihre ernsthafte Möglichkeit sprechende Umstände zu beweisen (Gegenbeweis)“ (so OLG Köln, Urteil vom 14.03.2014 Aktz: 6 U 210/12; LG Stuttgart, Urteil vom 21.04.2015, Aktz: 17 O 329/14).
Übereinstimmend berufen sich alle Gerichte für ihre Ansicht auf die Rechtsprechung des BGH.
Dies dürfte darin begründet sein, dass der BGH sowohl eine „Vermutung“ zugunsten des Rechteinhabers als auch eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers postuliert und die Voraussetzung für die Annahme der Vermutung mit der BearShare-Entscheidung fortgeführt bzw. konkretisiert hat.
So führt der BGH noch in der Morpheus-Entscheidung (Urteil vom 15.11.2012, Aktenzeichen l ZR 74/12 ) wie folgt aus:
„Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, und diese tatsächliche Vermutung ist im Streitfall jedoch entkräftet, da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat“.
Aus dieser Entscheidung hat z.B. das LG Stuttgart ( a.a.O.) den Schluss gezogen, dass allein die Anschlussinhaberschaft die tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft begründet und weiter gefolgert:
„Diese Annahme werde erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes, nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des lnternetanschlusses ergebe.
Diese Tatsachen, welche die Vermutung erschüttern, habe der Anschlussinhaber jedoch vorzutragen und entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auch zu beweisen.“
Diese Meinung des LG Stuttgart ist nach Ansicht des Gerichts indes nicht zutreffend. Die Vermutungsregelung basiert nicht nur auf der Inhaberschaft des Anschlussinhabers, sondern auch – im negativen – darin, dass keine anderen Personen den Anschluss zum Tatzeitpunkt benutzen konnten.
Dies ergibt sich aus der Fortführung der BGH-Rechtsprechung, insbesondere aus der BearShare-Entscheidung vom 08.01.2015. Dort wird explizit wie folgt zur Vermutungsregelung ausgeführt:
„Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten.“
Die tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers wird bei der möglichen Nutzung durch Dritte somit erst gar nicht begründet und nicht, wie das Landgericht Stuttgart annimmt, allein durch die Anschlussinhaberschaft begründet, aber bei Erbringung des Nachweises der Drittnutzung sodann erschüttert.
Für das Vorliegen der Voraussetzung der Vermutung ist jedoch derjenige beweispflichtig, der sich auf die Vermutung beruft, vorliegend somit der Rechteinhaber.
Da dem Rechteinhaber hinsichtlich dieser weiteren Voraussetzung jedoch die Kenntnis fehlt, trifft den Inhaber des lnternetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast; nur er hat die Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und ihm obliegt somit eine diesbezügliche Darlegungspflicht.
Sofern der Anspruchsinhaber jedoch seiner sekundären Darlegungslast entspricht, „ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchssteller die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen(so wörtlich BGH, BearShare). Auch führt die sekundäre Darlegungslast weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolgt benötigten Informationen zu verschaffen (so ebenfalls wörtlich BGH in BearShare).
Dies kann nur bedeuten, dass der Rechteinhaber die Voraussetzung der Vermutung nachzuweisen hat, oder auf anderem Weg die Verantwortung des Anschlussinhabers beweisen muss.
Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen einer Vermutung bzw. eines Anscheinsbeweises trägt nämlich grundsätzlich die Partei, die hieraus Rechtsfolgen für sich herleitet (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast 2009; § 12 Randziffer 9 m.w.M.).
Würde nur dem Anschlussinhaber die Beweislast für die Nutzungsmöglichkeit Dritter auferlegt, würde dies eine Umkehr der Beweislast darstellen, was vom BGH jedoch gerade ausdrücklich ausgeschlossen wurde (so auch ausführlich AG Hamburg, Aktz: 36 a C 134/14, Urt. vom 03.07.2015).
Aufgrund der sekundären Darlegungslast des Beklagten und der oben dargelegten Beweislast der Klägerin hat der Anschlussinhaber auch grundsätzlich die Beweismittel zu benennen, damit die Rechteinhaberin den ihr obliegenden Beweis überhaupt antreten kann. Dem ist der Beklagte nachgekommen, indem er die Personen, die er als mögliche Täter aufgeführt hat, namentlich benannt und die ladungsfähige Anschrift mitgeteilt hat.
Trotz entsprechendem Hinweis seitens des Gerichts hat die Klägerin jedoch keinen Beweis angetreten.
Ihre Beweispflicht kann die Klägerin auch nicht dadurch „unterlaufen“, indem sie die Existenz der seitens des Beklagten benannten Personen bestreitet (vgl. OLG Köln, Urt. v. 16.05.2012).
Der Beklagte hat durch die Namhaftmachung der Zeugen und der Mitteilung deren ladungsfähigen Anschriften das ihm Obliegende getan, um der Klägerin die Beweisführung zu ermöglichen. Es verbleibt bei der Klägerin, ob sie diese Möglichkeit nutzen möchte oder nicht. Es bestehen keinerlei Anzeichen oder Indizien dafür, dass die benannten Personen nicht existieren; die Klägerin hat solche Indizien auch nicht – beispielsweise durch einen Negativbescheid des Einwohnermeldeamtes- vorgetragen.
Ein beweisvereitelndes Verhalten des Beklagten in Form der Benennung nicht auffindbarer oder nicht existenter Zeugen (vgl. hierzu RG Warn-Rechtsprechung 1911, Nr. 54 S. 59) ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargetan (vgl. hierzu auch AG Düsseldorf, Urt. vom 19.11.2013, Aktenzeichen 57 C 3144/13).
Das Gericht verkennt nicht, dass bei der Beweislastverteilung zu Lasten des Rechteinhabers es diesem häufig schwerfallen wird, die für ihn stehende Vermutung tatsächlich nachzuweisen, da es sich bei dem von dem Anschlussinhaber benannten Zeugen nicht selten um Familienangehörige handelt, welche sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, sodass der Rechteinhaber beweisfällig bliebe.
Diese möglicherweise von Teilen der Rechtsprechung als unbillig empfundene Folge (so wohl OLG München, Urt. v. 14.01.2016, Aktz: 29 U 2593/15 „Loud“), kann nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht dazu führen, die Grundsätze der Beweislastverteilung im Urheberrecht nicht anzuwenden bzw. die sekundäre Darlegungslast in ungerechtfertigter Weise auszudehnen.
Die Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Missstände darf kein Anlass sein, für Urheberrechtsverletzung eine Art „Sonderbeweisrecht“ zugunsten der Rechteinhaber zu schaffen (so auch AG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.2013, Aktz: 57 C 3144/13).
Es bleibt vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten, sofern dieser eine nicht mehr hinnehmbare Verletzung der Eigentumsrechte der Rechteinhaber als gegeben sieht, entsprechende Regelungen zu schaffen.
Die Klägerin ist somit beweisfällig für die von ihr aufgestellte Vermutung der Täterschaft des Beklagten geblieben; auch hat sie die Täterschaft des Beklagten nicht auf andere Weise nachgewiesen; eine Schadensersatzpflicht des Beklagten gem. § 97 UrhG ist daher nicht gegeben.
2. Der Beklagte haftet der Klägerin auch nicht auf Schadensersatz wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht gem. § 832 BGB.
Eine Haftung aus § 832 Abs. 1 BGB kommt unabhängig von der Frage, ob eine ausreichende Belehrung der minderjährigen Söhne zum Verbot von File-Sharing stattgefunden hat und somit eine Aufsichtspflichtverletzung gegeben ist oder nicht, schon deswegen nicht in Betracht, weil nicht feststeht, dass einer der Söhne Täter der Urheberrechtsverletzung war (vgl. auch LG Köln, Urt. v. 24.10.2012, Aktenzeichen 28 O 391/11).
Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten ist somit vollumfänglich nicht gegeben.
3. Auch eine Störerhaftung des Beklagten aus §§ 97, 97 a Abs. 3 UrhG in Verbindung mit § 1004 BGB auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich nicht, da dem Beklagten hierzu die Störereigenschaft fehlt.
Zwar setzt eine Störerhaftung kein Verschulden voraus, jedoch haftet für eine Schutz-rechtsverletzung nur derjenige, der – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein -, in irgend einer Weise willentlich oder adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat.
Um eine solche Haftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüf- oder Kontrollpflichten voraus, deren Art und Umfang nach Treu und Glauben zu bestimmen sind. Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung eines Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH, Urt. v. 08.01.2014, Aktz: l ZR 169/12).
Allein die Überlassung des lnternetanschlusses an Familienangehörige stellt keine Pflichtverletzung dar. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, seine Ehefrau ohne Anzeichen von bereits begangenen oder bevorstehenden Urheberrechtsverletzungen über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen zu belehren (vgl. BGH, BearShare).
Soweit hinsichtlich der minderjährigen Söhne eine Belehrungspflicht anzunehmen ist, steht, wie bereits oben dargelegt, nicht fest, dass durch die Söhne bzw. einen von ihnen, die behauptete Rechtsverletzung begangen worden ist und eine etwaige Aufklärungspflichtverletzung kausal für den behaupteten Schaden wäre.
Eine ungenügende Absicherung des W-LAN-Anschlusses und eine darin liegende Pflichtverletzung wurde von der Klägerin nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich.
Eine Störerhaftung des Beklagten scheidet damit ebenfalls aus.“
Fazit: Auch, wenn im Zivilprozess die prozessuale Wahrheitspflicht gilt, also nicht unrichtig vorgetragen werden darf, will man nicht Gefahr laufen, sich eines versuchten oder vollendeten Prozessbetrugs strafbar zu machen, verdeutlicht die Entscheidung doch anschaulich, mit welcher Argumentation gerade bei Familien eine Rechtsverteidigung erfolgreich sein kann.