Immer mehr Menschen leben viele Jahre ohne Trauschein zusammen. Wird dann doch geheiratet und stirbt nun der Ehegatte vor Ablauf eines Jahres nach der Hochzeit, dann hat der überlebende oft Probleme Hinterbliebenenversorgung (Witwengeld) zu erlangen, weil eine sog. Versorgungsehe vermutet wird. Nach § 19 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) erhält die Witwe eines Lebenszeit- oder Ruhestandsbeamten Witwengeld. Das gilt allerdings u.a. dann nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, „es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen.“ Nach § 28 BeamtVG gilt Entsprechendes für den Witwer einer Beamtin.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun letztinstanzlich mit Urteil vom 28.01.2016 (2 C 21.1) entschieden, dass in einem solchen Fall der Witwe oder dem Witwer für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer „Versorgungsehe“ alle Beweismittel zur Verfügung stehen. So sind nicht nur „äußere, objektiv erkennbare“, sondern auch „innere, subjektive“ Umstände – insbesondere die Motive der Ehegatten bei der Heirat – von Bedeutung.
Die Klägerin und ihr späterer Ehemann – ein Beamter auf Lebenszeit – lebten seit 2004 in eheähnlicher Gemeinschaft, hatten sich verlobt und nach drei Jahren Hochzeitsvorbereitungen getroffen, die Heirat dann aber zurückgestellt. Im Herbst 2010 wurde bei dem Beamten eine lebensbedrohliche Krankheit diagnostiziert, auf deren Behandlung er zunächst gut ansprach. Im Januar 2011 heirateten die Klägerin und der Beamte. Bei einer nachfolgenden Behandlung im Februar 2011 trat eine Komplikation auf, an der der Beamte im März 2011 verstarb.
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwengeld ist beim Dienstherrn und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben, weil nach dem äußeren Gesamtbild der Heirat die Versorgungsabsicht im Vordergrund gestanden habe. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht durch objektiv erkennbare, äußere Umstände – auf die es allein ankomme – widerlegt worden.
Dieser Auffassung widersprachen die Bundesrichter. Eine Beschränkung der Beweistatsachen oder Beweismittel bei der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe wäre mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar. Der Hinterbliebene trägt die Beweislast für einen anderen Zweck der Heirat als den der Versorgung. Deshalb müssen ihm alle Beweismittel zur Verfügung stehen.
Es ist Aufgabe der Versorgungsbehörden und ggfs. danach der Gerichte zu prüfen, ob der Vortrag hierzu schlüssig und glaubhaft ist. Im Falle der Heirat (erst) in Kenntnis einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Beamten kann ein „besonderer Umstand“, der die Annahme einer Versorgungsabsicht widerlegen kann, darin liegen, dass der Heiratsentschluss schon vor der Erkrankung gefasst worden war, die Heirat aber aus wirklichkeitsnahen Gründen aufgeschoben, der Heiratsentschluss jedoch nicht aufgegeben wurde.
Da die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um den Zweck der Heirat im vorliegenden Fall zu beurteilen, war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.