Durch ein Testament kann die gesetzliche Erbfolge ausgehebelt werden. Dies jedenfalls dann, wenn die im Testament eingesetzte Person auch wirksam eingesetzt werden konnte. Zweifel kommen den Verwandten, die ansonsten gehabt hätten, bei einer solchen Erbeinsetzung meistens dann, wenn plötzlich eine Person Erbe wird, die den Erblasser oder die Erblasserin von Amts oder Berufs wegen kennen gelernt hat. Gerade Hausärzte haben wir oft bei älteren und einsamen Menschen einen „Stein im Brett“ zu, so dass die Frage, ob ein behandelnder Arzt wirksam in einem Testament als Erbe eingesetzt werden kann, sowohl juristische als auch ethische Dimensionen hat. Dieser Artikel analysiert einen richtungsweisenden Fall, der vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Beschluss vom 21. 12. 2023, 21 W 91/23) entschieden wurde und die Wirksamkeit der Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes bestätigt hat.
Grundzüge und Hintergrund
Im konkreten Fall setzte eine Patientin ihren behandelnden Arzt neben anderen Personen als Miterben in ihrem Testament ein. Dieser Schritt führte zu rechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere nachdem der Arzt auf Bitte der Erblasserin zuvor deren Testierfähigkeit bestätigt hat.
Rechtliche Einwände und Erstinstanzliche Entscheidung
Ein Miterbe forderte die Nichtigkeit des Testaments und berief sich dabei auf § 32 der Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (BO-Ä), der Ärzten untersagt, Geschenke oder Vorteile von Patienten anzunehmen, die ihre Unabhängigkeit beeinflussen könnten. Das Amtsgericht Kassel erklärte daraufhin das Testament für teilweise nichtig.
Entscheidung des OLG Frankfurt am Main
Das OLG Frankfurt hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Es stellte fest, dass die berufsständische Regelung zwar ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt, aber ein Verstoß gegen dieses Gesetz nicht automatisch die Nichtigkeit des Testaments zur Folge hat. Das Gericht argumentierte, dass § 32 BO-Ä primär an den Arzt und nicht an den Testierenden gerichtet sei. Eine andere Auslegung würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Testierfreiheit darstellen.
Diese Entscheidung des OLG Frankfurt betont die Notwendigkeit einer ausgewogenen Abwägung zwischen berufsrechtlichen Verboten und der Testierfreiheit. Sie öffnet zudem die Tür für eine höchstrichterliche Klärung der Fragestellung, da das OLG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen hat.
Fazit
Der Fall zeigt die Komplexität der juristischen Bewertung von Testamenten, in denen berufsständische Grenzen berührt werden. Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof in einem etwaigen Revisionsverfahren entscheiden wird. Die aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt stellt jedenfalls einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Grenzen der Testierfreiheit und die berufsethischen Verpflichtungen von Ärzten dar. In unserer täglichen Beratungspraxis kommt es immer wieder vor, dass Ärzte, manchmal aber auch Steuerberater oder Rechtsanwälte, und in einem Fall, den wir erst 2023 auf den Tisch hatten, sogar ein Gärtner, zum Erben eingesetzt wurde und die Verwandten das Nachsehen hatten. Im Gärtnerfall hatte die Erblasserin sogar das Testament, wohl auf dessen Wunsch hin, noch modifiziert, in dem die Regelung, in der zunächst als Alleinerben eingesetzt worden ist, dahingehend abgeändert worden ist, dass er nun gemeinsam mit seiner Ehefrau Erbe eines großzügigen Anwesens im Oberland geworden ist, wohl um zweimal die steuerlichen Freibeträge, die in diesem Fall allerdings nur bei je 20.000 € gelegen haben, ausgenutzt werden konnten.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.