Nachdem in der Corona-Pandemie die Zauberworte, die es richten sollen, Homeschooling und Homeoffice sind, hat die Justiz sich bislang in Sachen Videoverhandlungen eher zurückgehalten. Gestern haben wir zum 1. Mal eine Ladung erhalten, in der darauf hingewiesen wurde, dass wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind, nach § 128a Abs. 1 ZPO auch per Video über die Software Microsoft Teams verhandelt werden könnte. Vorreiter war hier das Amtsgericht München.
Videoverhandlung spart Zeit und schont die Umwelt
Grundsätzlich ist eine Verhandlung per Video-Chat in zivilrechtlichen Angelegenheiten zu begrüßen, da im Zivilprozess meist ohnehin durch die gewechselten Schriftsätze das Gericht sich bereits eine Meinung gebildet hat und die mündliche Verhandlung oft an diesem Ergebnis auch nichts mehr ändert, also nur deshalb stattfindet, weil der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt sein muss. Mit einer Videoverhandlungen können daher nicht nur persönliche Kontakte zur Reduzierung des Infektionsgeschehens vermieden, sondern vor allen Dingen auch jede Menge Zeit für unnütze Fahrten und damit auch die Umwelt geschont werden.
Rechtliche, aber vor allen Dingen praktische Probleme sind zu erwarten
Schiebt man rechtliche Bedenken, weil nunmehr nicht mehr der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt ist, beiseite, dann wirkt befremdlich, dass die Justiz sich diesen Service noch zusätzlich, also über die Gerichtsgebühren hinaus, mit 15 € je angefangene halbe Stunde (siehe Anlage 1 zum GKG Kostenverzeichnis Nummer 9019) vergüten lässt. Dass die Anwaltschaft die Technik unentgeltlich bereitstellt, wird wie stets, vorausgesetzt, denn die Abrechnung von „Videopauschalen“ ist bislang eher ungebräuchlich.
In der Praxis dürfte aber auch, jedenfalls dann, wenn eine Videoverhandlung nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist, die Pünktlichkeit bei Gericht zum Problem werden. Wir als Anwälte sind nämlich gewohnt, was manchmal extrem ärgerlich ist, gerade dann, wenn die Wartezeit 30 Minuten länger beträgt, bei Gericht auf den Beginn der Verhandlung zu warten. Teilweise sind die Verzögerungen so extrem, dass am Ende eines Anwaltslebens überspitzt ausgedrückt 2 Lebensjahre nur beim Warten auf Gerichtsfluren verbracht worden sind. Wie dieses Onlinewarten dann allerdings aussehen soll, noch dazu, wenn nicht nur Gerichte und Anwälte, sondern auch die Parteien der Videoverhandlung zugeschaltet werden, bleibt spannend. Möchte die Justiz hier vereinbarte Termine auch pünktlich einhalten, dann hätte dies zur Folge, dass Gerichtsverhandlungen, da deren Dauer nur schwer kalkulierbar ist, so großzügig terminiert werden müssen, dass stets sichergestellt ist, dass die vorausgehende Verhandlung beendet ist, bevor die nächste Verhandlung beginnt. Ob dies dann wiederum der Richterschaft gefällt, bleibt abzuwarten.
Anmerkung:
Bedenken wegen des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 GVG wird dadurch begegnet, indem Zuhörer die Möglichkeit haben müssen, in dem Gerichtssaal, in dem der Richter sitzt, der Videoverhandlungen beizuwohnen. Eine rein akustische Teilnahme ist dabei nicht ausreichend, so dass ein Gericht, jedenfalls dann, wenn Zuhörer anwesend sind, die Verhandlung z.B. mittels Beamer übertragen muss.